Starkes Schwitzen ohne erkennbaren Grund
Tritt starkes Schwitzen ohne Grund auf, ist das nicht nur unangenehm, sondern kann auch zur Belastung werden. In alltäglichen Situationen, in denen unsere Körpertemperatur ansteigt, sorgt der Schweiß, der an die Hautoberfläche transportiert wird, für Verdunstungskälte. Klassisch ist das der Fall:
- bei körperlicher Anstrengung
- bei warmen Umgebungstemperaturen
- in Stresssituationen
Wenn wir aber in untypischen Situationen stark schwitzen oder die Schweißproduktion über die eigentliche Kühlfunktion hinausgeht, liegt möglicherweise eine Hyperhidrose vor. “Hyper” ist eine altgriechische Vorsilbe und bedeutet so viel wie übermäßig, zu viel oder über das Maß hinaus. “Hidros” kann übersetzt werden mit Schweiß.
Oder einfach ausgedrückt: bei Hyperhidrose handelt sich um übermäßiges Schwitzen. Generell wird zwischen zwei Formen unterschieden:
- Primäre Hyperhidrose: Bei dieser Form lässt sich keine genaue Ursache für das übermäßige Schwitzen definieren.
- Sekundäre Hyperhidrose: Für diese Form kommen verschiedene Auslöser in Frage – das können Grunderkrankungen, die Einnahme von Medikamenten oder hormonelle Veränderungen sein.
Doch woher weiß ich, ob mein Schwitzen gegebenenfalls krankhaft ist und wie kommt es zu der vermehrten Schweißbildung?
Symptome: Was ist Hyperhidrose?
Übermäßiges Schwitzen ohne erkennbare Ursache wird in der Fachsprache als primäre Hyperhidrose bezeichnet. Folgende Dinge gelten als typisch für die primäre Form des übermäßigen Schwitzens:
- Starkes Schwitzen tritt ohne Grund auf: Zum Beispiel auch bei angenehmen Temperaturen oder in Ruhesituationen.
- Das übermäßige Schwitzen tritt immer wieder in Form von Attacken auf: Da es sich um eine chronische Erkrankung handelt, verschwinden die Schweißausbrüche nicht einfach, sondern begleiten Betroffene über einen längeren Zeitraum wie Monate oder Jahre.
- Nur einzelne Körperstellen schwitzen stark: Meist handelt es sich dabei um die Achseln, Hände, Füße, Kopf bzw. Stirn oder eine Kombination dieser Bereiche.
- Das Schwitzen tritt symmetrisch an beiden Körperhälften auf: Sowohl unter dem rechten als auch linken Arm, oder beidseitig an Händen oder Füßen.
- Das heftige Schwitzen beschränkt sich meistens auf tagsüber: Nächtliches Schwitzen, sogenannter Nachtschweiß, ist eher ein Anzeichen für eine sekundäre Hyperhidrose.
Du möchtest mehr zu den Anzeichen für übermäßiges Schwitzen ohne konkreten Auslöser wissen? Weitere Informationen erhältst du im Artikel: Hyperhidrose Symptome
Wenn du dir die Frage stellst, ob dein Schwitzen so stark ist, dass es eine Krankheit sein kann, empfiehlt Prof. Dr. Rolf-Markus Szeimies, sich zuerst zu fragen, ob sich das Verhalten aufgrund des starken Schwitzens verändert hat. Gibt es Auswirkungen auch im privaten oder sozialen Umfeld, die damit verbunden sind?
Ursachen: Warum schwitze ich so viel?
Für Schweißausbrüche können verschiedene Ursachen in Frage kommen:
- Bei einigen Grunderkrankungen, beispielsweise bei einer Schilddrüsenüberfunktion, dem Diabetes oder krankhaftem Übergewicht, kann starkes Schwitzen als Symptom auftreten.
- Werden bestimmte Arzneimittel, zum Beispiel Hormonpräparate, Antidepressiva oder durchblutungsfördernde Mittel eingenommen, kann übermäßiges Schwitzen eine Nebenwirkung sein.
- Ändert sich der Hormonhaushalt durch natürliche Prozesse, wie beispielsweise in den Wechseljahren oder einer Schwangerschaft bei Frauen beziehungsweise altersbedingt bei Männern, können diese hormonellen Veränderungen mit Schweißausbrüchen einhergehen.
Liegt einer dieser Auslöser vor, sprechen Mediziner von einer sogenannten sekundären Hyperhidrose. Häufig tritt in diesen Fällen die Schweißbildung nicht als einzige Beschwerde auf, sondern es gibt noch weitere Symptome oder Begleiterscheinungen. Typisch ist in vielen Fällen zudem, dass das Schwitzen meist am gesamten Körper auftritt oder die Betroffenen vor allem nachts schwitzen.
Bei einer primären Hyperhidrose, bei der das Schwitzen ohne erkennbaren Grund auftritt, sind die Betroffenen hingegen meist gesund – abgesehen von der stark vermehrten Schweißproduktion. Die Menschen sind:
- in der Regel normalgewichtig,
- leiden an keiner Grunderkrankung und
- nehmen keine schweißtreibenden Medikamente ein.
Doch wie kommt es zu der verstärkten, unkontrollierten Schweißproduktion? Lange Zeit ging man davon aus, dass die Schweißdrüsen der Betroffenen überaktiv sind. Diese Annahme gilt heute als überholt. Denn das würde bedeuten, dass die Ursache in den Drüsen selbst zu finden ist.
Betroffene, die unter übermäßigem Schwitzen leiden, haben weder mehr Schweißdrüsen, noch unterscheiden sich die Drüsen in ihrer Form oder Größe im Vergleich zu anderen Menschen.
Der Grund für grundloses Schwitzen: Regulationsstörung des Nervensystems
Die Wissenschaft weiß heute, dass es sich bei der primären Hyperhidrose um eine Fehlregulation des Nervensystems bei der Steuerung der Schweißbildung handelt. Um genauer zu verstehen, was das vegetative Nervensystem mit übermäßigem Schwitzen zu tun hat, lohnt ein kurzer Ausflug in die „normale“ Schweißproduktion:
- Der Körper registriert einen Temperaturanstieg, der durch Anstrengung oder Wärme ausgelöst wird. Hierzu besitzt der Menschen Millionen an Thermorezeptoren: zum Beispiel in der Haut, in inneren Organen und im Gehirn. Es sind sozusagen kleine Thermometer, die in unserem Organismus verteilt sind.
- Als Reaktion auf den Temperaturanstieg aktiviert das vegetative Nervensystem (genauer gesagt der Sympathikus) die Nervenbahnen, die zu den Schweißdrüsen führen.
- Durch den Botenstoff Acetylcholin (Neurotransmitter) erhalten die Schweißdrüsen den Impuls, Schweißsekret zu produzieren.
- Der Schweiß gelangt durch kleine Schweißgänge an die Hautoberfläche und verdunstet dort. Durch die dabei entstehende Verdunstungskälte wird der Körper letztendlich gekühlt.
Bei krankhaft übermäßigem Schwitzen wird dieser Mechanismus in Gang gesetzt, obwohl der Körper gar nicht gekühlt werden muss. Schon kleinste und oftmals unbewusste Reize genügen, um das vegetative Nevensystem zu aktivieren, den Botenstoff Acetylcholin auszuschütten. Die Schweißmenge kann dann von leichter Nässe hin bis zur Bildung großer Schweißmengen mit deutlich tropfenden und abrinnenden Schweißperlen auf der Haut reichen.
Warum das so ist, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Es gibt bislang auch noch keine verlässlichen Zahlen, wie verbreitet die Krankheit ist. Je nach Studienlage geht die Wissenschaft von etwa 1 bis 5 % der Bevölkerung im deutschsprachigen Raum aus.
In Deutschland und Österreich sind schätzungsweise über 4,5 Millionen Menschen von Hyperhidrose betroffen!
„Ich denke, es kommt viel häufiger vor, als wir glauben! Menschen outen sich ja nicht, laufen damit rum und sagen Ich bin Hyperhidrotiker.“, meint Dr. Thomas Dirschka. Eher das Gegenteil ist der Fall: „Schwitzen fällt in einen sensitiven Bereich, der vielen Leuten peinlich ist. Darüber spricht man nicht gerne.“
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